Mythen

Im Tonstudiobereich mit all seiner Technik gibt es bekanntlich eine ganze Menge Voodoo. In diesem oder jenem Effektgerät scheint eine Art Magie zu stecken, welche technisch nicht messbar ist oder jener EQ ist gefühlt musikalischer als ein anderer. Gerade weil die Disziplin der Akustik oft so schwer greifbar und scheinbar widersprüchlich zu sein scheint, gibt es auch im Studiobau eine Menge Mythen bzw. Annahmen, die nicht unbedingt immer zutreffen. Oder weniger relevant sind als man glaubt.

Mythos #1: Mein Raum darf keine parallelen Wände haben.

In vielen Fällen geht das Entwerfen eines Raums mit nicht-parallelen Wänden mit einem großen Verlust der Grundfläche einher. Parallele Wände müssen nämlich mindestens 12° Winkelung zueinander aufweisen, sodass der Effekt überhaupt in Erscheinigung tritt. Tatsächlich ist diese Maßnahme aber in erster Linie nur gegen Flatterecho effektiv. Gegen Flatterecho gibt es allerdings weit einfachere Maßnahmen wie Absorber, welche weit weniger Platz wegnehmen.

Aus Gründen der Raummoden seine Wände schief bauen zu wollen ist ebenfalls keine gute Idee. Dadurch werden die Raummoden nämlich nicht eliminiert, sondern lediglich verteilt, sozusagen im Frequenzraum verschmiert. Und dies ist oft problematischer, als eine offensichtliche, einzelne Raummode, weil diese punktgenau behandelt werden kann, z.B. mit einem Resonator oder Membranabsorber/Plattenschwinger für eben diese Frequenz. Verteilte Raummoden hingegen sind weniger einfach in den Griff zu bekommen, weil sie sich über einen Frequenzbereich erstrecken.  Oft erhält man durch das Weglassen von schiefen Wänden auch gleich den nötigen Platz für entsprechende Moden-Maßnahmen.

Nicht ohne Grund sind die Aufnahmeräume einiger der renommiertesten Studios der Welt (z.B. Abbey Roads Studios, London) quaderförmige Räume.

Mythos #2: Ich brauche einen schwimmenden/entkoppelten Boden.

In sehr vielen Fällen stimmt dies nicht. Baut man, so wie wir, auf einer freistehenden Fundamentplatte ist ein schwimmender Boden überhaupt nicht notwendig. Ein schwimmender Boden entkoppelt den inneren Boden vom Fundamentboden und verhindert somit Körperschallübertragungen in das Gebäude und von dort in andere Räume. Eine freistehende Fundamentplatte schwingt jedoch nicht (bzw. erst sehr sehr tief), weil sie ein schlechter Leiter von Schallenergie ist. Man kann sich die umgebende Erde wie abertausende Hände vorstellen, die die Platte festhalten und am schwingen hindern. Körperschall, der in die Platte geht wird mehr oder weniger sofort gedämpft. Somit ist es unproblematisch, wenn man Innen- und Außenwände der RiR auf derselben Basis installiert. Die Notwendigkeit eines schwimmenden Bodens fällt also weg.

Wirklich brauchen wird man einen schwimmenden Boden erst, wenn man in einem Gebäude bauen möchte, in dem noch andere Parteien sind und/oder man nicht direkt auf der Fundamentplatte baut, z.B. wenn ein Keller darunter ist, oder man im 1. OG bauen möchte. Außerdem ist es sehr schwierig einen guten und sicheren schwimmenden Boden zu konzipieren und vor allem praktisch umzusetzen. Dieser braucht nämlich eine ganz bestimmte Auflagekraft (--> Masse), sodass er optimal schwimmen kann. Man muss vorab penibel das Endgewicht des gesamten Raums errechnen und später auch einhalten, damit das System funktioniert. Kleine Fehler können hier fatale Folgen haben. Ist die Aufpresskraft zu hoch, arbeitet die Feder (hier: das entsprechende entkoppelnde Material, z.B. Sylomer) nicht entkoppelnd, sondern es gibt eine mechanische Verbindung und Schwingungen werden übertragen. Dasselbe passiert, wenn die Aufpresskraft zu gering ist. Auch dann entkoppelt die Feder nicht und eine mechanische Verbindung wird hergestellt.

Mythos #3: Die Regiescheibe muss gewinkelt eingebaut sein.

Ein Must-Have wie viele glauben. Tatsächlich ist der größte Vorteil daran allerdings, dass es keine störenden Lichtspiegelungen gibt. Es gibt keine signifikanten akustischen Vorteile im Vergleich zu parallen/geraden Scheiben (siehe Quirt, 1982).

Mythos #4: Meine Decke muss schiefwinklig sein.

Eine schiefwinklige Decke kann akustisch durchaus förderlich sein. Allerdings sollte man immer auch an die Machbarkeit solcher Entscheidungen denken, denn eine schiefwinklige Deckenkonstruktion ist aufwändig und nicht so einfach vorraussagbar hinsichtlich ihrer Stabilität und Statik. In vielen Fällen ist man tatsächlich besser beraten einfach eine gerade Decke zu bauen und später eine Cloud schief von der Decke zu hängen. Sehr ähnlicher akustischer Effekt, aber weniger Aufwand. Zudem noch flexibel, da z.B. austausch- oder erweiterbar. Außerdem erhält man noch mehr Luftvolumen im Raum, welches den Raum akustisch größer wirken lässt, was idR. gut ist.

Mythos #5: Ich brauche spezielle Akustikprodukte.

Viele Hersteller bieten spezielle Akustikprodukte an, z.B. besondere Gipskartonplatten oder Dämmwolle, welche herausragende akustische Eigenschaften besitzen sollen. Jedoch haben diese oft mit der Realität nur wenig zu tun. Die einfachen Produkte sind oft genauso gut. Viel wichtiger ist das Wissen darüber wie man diese zu einem effektiven System zusammenbaut. Insbesondere sind auch Akustik-Fertigmodule mit Vorsicht zu genießen. Zwar sagt man ist „irgendetwas besser als gar nichts“, aber eine gute Raumakustik bedingt leider nunmal immer auch eine individuelle Planung.

Es gibt natürlich noch eine Menge weiterer Mythen wie beispielsweise, dass man mit Pyramiden- oder Noppenschaumstoff seine Studioakustik oder mit Eierkartons die Proberaumakustik „verbessern“ würde. Dies soll es jedoch erstmal gewesen sein, weil man mit diesen Mythen allein sicherlich ganze Bücher füllen könnte. Evtl. ergänze ich die Liste später noch etwas.

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