Elektrik (Theorie)

1 Einleitung

Zu den oft verdrängten Themen im Studiobau (vor allem bei Heim- und Projektstudios) gehören neben Klimaanlage und Frischluftzufuhr auch gerne die Elektrik. Meist werden Probleme in diesem Bereich so lange ignoriert bis sie tatsächlich auftreten. Nachträgliches Behandeln ist jedoch – insb. bei einem Raum-in-Raum-Konzept – schwierig. Was bringt eine exzellente Schallisolierung, wenn später auf allen Kanälen Brummen ist? Eine gängige, aber lebensgefährliche und illegale Maßnahme ist oft das Abkleben des Schutzleiters. Wir wollen es aber richtig machen. Eine gute Planung der Elektrik ist also wichtig, um das Studio später brummfrei betreiben zu können.

Das Thema Elektrik ist sehr umfangreich. Es existieren lokale und systemglobale Lösungen. Oft sind Störfaktoren und ihre Maßnahmen sehr individuell und abhängig von diversen Rahmenbedingungen wie Lage des Studios, Anbindung und Qualität der Stromversorgung, Studiogröße, Schaltkreisentwurf, etc. Wir befassen uns hier daher lediglich mit einem einzigen Erdungskonzept (von vielen), nämlich der Sternerdung, sowie drei Maßnahmen zur Verbesserung der Stromqualität. Detailliertere Informationen finden sich über die angegebenen Quellen am Schluss.


2 Elektrik & Audiotechnik

Manche fragen sich womöglich was die Elektrik überhaupt mit der Audiotechnik zu tun haben soll. Nun, Grund für die Besorgnis sind Brummschleifen. Diese können nämich prinzipiell dann entstehen, wenn mindestens zwei Audiogeräte mit Schutzkontaktsteckern audiotechnisch miteinander verbunden werden. Die (elektrische) Erdung der Geräte ist nämlich mit der Erdung des Audio-Schaltkreise der Geräte verbunden. Eine “saubere” Erde in der Audiotechnik ist also nur durch eine saubere Erde der Elektrik zu erreichen. Doch dazu sei zunächst kurz erläutert was in einem solchen Stecker bzw. Kabel überhaupt steckt: Der haushaltsübliche Einphasenwechselstrom besteht aus folgenden drei Leitern:

  1. Außenleiter (auch “Phase”)
  2. Neutralleiter (auch “Null”)
  3. Schutzleiter (auch “Betriebserde”)

Die ersten beiden sind stromführend, also aktiv. In Deutschland trägt der Außenleiter 230V/50Hz an den Neutralleiter ab. Der Schutzleiter ist passiv und bildet die Erdungsverbindung und ist gesetzlich als Schutz vor auftretenden Fehlströmen vorgeschrieben.

2.1 Die Erdungsschleife

Falls nun zwei Geräte mit Schutzkontaktsteckern audiotechnisch verbunden werden, entsteht eine Erdschleife. Die Erdung ist also kreisförmig verbunden: Der eine Weg führt über die Erdung des Audiokabels, der andere Weg über den Schutzleiter des Stromnetzes. Dies ist erst einmal nicht weiter schlimm. Nun kann es jedoch passieren, dass elektrische Störeinstreuungen bei Gerät 1 eine Spannung auf dem Leiter induzieren und die Potenzialreferenz von Gerät 2 modulieren. Die Geräte haben folglich unterschiedliche Referenzpotenziale. Sie haben also “unterschiedliche Ansichten” einer Erdung. Diese Referenzdifferenz hat einen Potentialausgleichsstrom auf dem Schutzleiter zufolge. Und genau diesen hören wir als Störgeräusche im Signal in Form von Brummen oder Surren.


3 Die Sternerdung

Um mögliche Störgeräusche zu vermeiden, gilt es Erdungsschleifen zu verhindern. Dies gelingt beispielweise mit Hilfe einer sogenannten sternförmigen Erdung. Sie ist ein systemglobales Konzept, welches diverse Störeinflüsse beseitigen kann, darunter auch Brummen durch Erdschleifen. Dabei bringt man alle Geräteerdungen auf dasselbe Potenzial, indem man sie an nur einem Punkt zusammenführt.

star vs series grounding
Sternerdung (oben) im Vergleich zur (normalen) seriellen Erdung (unten). Quelle siehe unten [3]

Dies erreicht man auf praktischer Seite, indem man ein Hauptpotenzial in Form einer Potenzialausgleichsschiene installiert und alle Erdungen direkt auf dieser zusammenführt ohne irgendwelche Abzweigungen oder seriellen Anbindungen unterwegs. Dieses Hauptpotenzial befindet sich in der Regel im Hausanschlussraum. Falls es sich um einen ganzen Studiokomplex mit mehreren Räumen handelt ist es auch möglich für jeden Raum eine solche Potenzialschiene (Unterpotenzialschiene) zu installieren, welche direkt (und möglichst massiv) mit dem Hauptpotenzial verbunden sein muss. Die Hauptpotenzialschiene muss nun an eine qualitativ-gute echte Erde angeschlossen werden, z.B. einem Erdungsband, welches beim Bau eines Gebäudes mit in die Erde gelegt wird und als Erdung der Haushaltselektrik dient. Alle Geräte haben somit direkten Bezug zur echten Erde. Es ergeben sich keine Erdschleifen, außer durch das Hauptpotenzial hindurch.

3.1 Verlegung & Anschluss

Man verlegt den passiven Leiter für diese Sternerdung als separaten Leiter mit ein wenig Abstand zu den aktiven, stromführenden Leitern. An einem Ende werden diese natürlich an das Hauptpotenzial angeschlossen. Was passiert jedoch auf der anderen Seite? Würde man diese nun einfach wieder an eine normale Steckdosen anschließen würde man Erdschleifen ab dieser Steckdose erzeugen. Insbesondere wenn man in einem Rack Mehrfachsteckdosen verlegt, ergeben sich hierbei viele kleine Erdschleifen verschiedenster Längen, die problematisch werden können. Daher müssen alle Rackgeräte auf kürzestem Wege und separat an unsere Sternerdung angeschlossen werden.

Dafür installiert man in jedem Rack eine Rackpotenzialausgleichschiene, welche durch unsere separat verlegten Schutzleiter direkt mit dem Hauptpotenzial verbunden sind. Alle Rackgeräte müssen jetzt mit dieser Potenzialschiene verbunden werden. Dafür brauchen wir für alle Rackgeräte mit einem Kaltgerätekabel ein extra angefertigtes Y-Kabel, welches die beiden aktiven Leiter und den Schutzleiter ab dem Stecker trennen und in zwei Kabelstränge splitten. Die beiden aktiven Leiter münden dann in einen normalen flachen Eurostecker und können in die Steckdose gesteckt werden. Eurostecker haben keine Erdung. Das Erdungskabel des Y-Kaltgerätekabels kommt an die Rackpotenzialschiene. Für Geräte mit Eurostecker ist nichts weiter zu tun. Diese können direkt in die Steckdose. Viele (Rack-)Geräte mit einem externen Netzteil besitzen bereits einen Eurostecker.

3.2 Einschränkungen & Ausnahmen

Durch die speziellen Kabel und den mehr oder weniger festen Anschluss an die Rackpotenzialschiene bzw. der Hauserde eigenen sich so installierte Systeme lediglich für als Festinstallation. Eine mobile Nutzung wäre nur nach Auswechseln der Kabel sowie Abbau der Potenzialschiene im Rack möglich.

Verstärker, Cabinets und alle Geräte, die bei einer Tonaufnahme prinzipiell mikrofoniert werden, brauchen diese spezielle Erdung nicht zwangsläufig, da ab dem Punkt an dem das Signal hörbar wird und wieder von einem Mikrofon eingefangen wird natürlich kein Stromkreis existiert, in welchem ein Potenzialausgleichsstrom entstehen könnte. Auch liegen quasi alle kleineren Geräte wie z.B. Gitaren-Bodeneffekte außerhalb dieser Betrachtung, da diese entweder batteriebetrieben sind oder per Eurostecker mit Strom versorgt werden. Obwohl man vielleicht denkt, dass man es dort womöglich nicht braucht, sollte das Prinzip der Sternerdung auch in Aufnahmeräumen flächendeckend umgesetzt werden. In Stromkreisen, welche beispielweise nur für Licht vorgesehen sind, ist eine Sternerdung vernachlässigbar.


4 Stromqualität

Die Qualität des angelieferten Stroms kann, je nach Rahmenbedingungen, deutlich schwanken. Für die Gewährleistung eines einwandfreien Betriebs und Schutz der Geräte gibt es Möglichkeiten die Qualität des Stroms zu verbessern. Ich möchte hier ein paar Maßnahmen kurz erläutern:

4.1 HF-Filter & Spannungsregulatoren

Der angelieferte Strom kann hochfrequente Anteile und Störungen enthalten. Diese können sich negativ auf die Tonqualität auswirken in Form eines hörbaren Rauschens oder einer weniger detailreichen Wiedergabe. Ein HF-Filter (high frequency), oder auch  Netzfilter genannt, ist im Wesentlichen ein Tiefpassfilter, welche eben diese hohen Frequenzen blockiert und das Signal in diesem Bereich säubert. Es gibt aktive und passive Filter. Aktive Filter verhindern, dass Störungen von außerhalb in das Haushaltsnetz hinein gelangen. Passive Filter hingegen verhindern, dass Störströme von Geräten innerhalb des Haushaltsnetzes in eben dieses gelangen („zurückspiegeln“). Sie können außerdem Spannungsspitzen abmildern.

Man muss jedoch sagen, dass dieses Thema – vor allem im Bereich HiFi – viel Voodoo beinhaltet und Geräte speziell für diesen Zweck unverhältnismäßig teuer angeboten werden. Das Stromnetz in Deutschland liegt auf hohem Niveau. Netzteile professioneller Geräte sind in der Regel stabilisiert und besitzen außerdem bereits einen Netzfilter dieser Art. Kleinere Stromschwankungen von bis zu 10% können somit ohne Einbußen in diesen Geräten direkt kompensiert werden. Sie funktionieren bei 210 Volt genauso einwandfrei wie bei 230 Volt. Die Sinnhaftigkeit der Investition in einen globalen Netzfilter sollte daher individuell abgewogen werden.

4.2 Überspannungsschutz

Überspannungen entstehen z.B. bei Blitzschlägen. Es gibt Geräte, welchen einen Schutz vor einer solchen Überspannung gewährleisten können. Sie reagieren innerhalb kürzester Zeit und schützen Geräte im Stromkreis davor Schaden zu nehmen. Dies kann teure Studiotechnik schützen. Im übrigen sei erwähnt, dass Geräte nach einer Überspannung oft gar nicht vollständig ausfallen bzw. defekt sind, sondern nur empfindliche Bauteile beschädigt werden und die Audioqualität des Geräts beeinträchtigt wird. Ein solcher Schutz ist möglichst früh im Stromnetz zu installieren.


5 Trennung der Stromkreise

Es ist ratsam alle Audiogeräte in von anderen elektronischen Verbrauchern getrennten Stromkreisen zu betreiben. Somit kann man negative Einflüsse durch Drittgeräte ausschließen, welche potenziell Störsignale in den Stromkreis induzieren können (siehe Abschnitt oben „HF-Filter und Spannungsregulatoren“). Dabei ist es nicht zwangsläufig notwendig alle Audiogeräte in ein und demselben Stromkreis zu betreiben, lediglich die zusätzlich installierte Sternerdung sollte in all diesen Stromkreisen mit Audiogeräten gleich ausgeführt werden. Wie bereits beschrieben auch mit Hilfe von Unterpotenzialschienen für verschiedene Räume oder Racks. Die gröbste sinnvolle Unterteilung in verschiedene Stromkreise sieht wie folgt aus:

  1. Regieraum: Rechner, Preamps, Lautsprecher, Rackgeräte/Outboard, Mischpult, Effektprozessoren, etc.
  2. Aufnahmeraum: Verstärker, Effektboards, elektronische Instrumente wie Keyboards, Synthesizer, etc.
  3. Sonstiges: Licht, Nicht-Audio

Diese Trennung kann mit dem Dreiphasensystem eines jeden Haushaltsanschlusses kombiniert werden, indem genau einer dieser Stromkreise an genau einer dieser drei Phasen angeschlossen wird. Die Stromkreise sind somit technisch möglichst weit getrennt und beeinflussen sich nur gering. Mögliche Störungen aus dem Anbieternetz auf einer dieser Phasen müssen hierbei aber ggf. mit Maßnahmen aus Kapitel 4 behandelt werden.


Quellen

Folgende Quellen bilden die Hauptgrundlage meines Wissens. Die Bachelorarbeit “Erdungskonzepte für Audioinstallationen” von Philipp Schmidt ist eine wunderbare Arbeit zum theoretischen Hintergrund zu diesem Thema. Kompakt und sehr verständlich geschrieben. Sehr empfehlenswert für alle Interessierten. Aber auch der Studiobaublog von Soundhouse7 ist insbesondere hinsichtlich Themen wie Elektrik, Verkabelung und Erdung höchst empfehlenswert. Dort gibt es viele anschauliche Bilder und sehr gute Hinweise zur Praxis.

[1] Philipp Schmidt „Erdungskonzepte für Audioinstallationen“, Institut für Breitband-kommunikation, Technischen Universität Graz, 2009
https://www.spsc.tugraz.at/sites/default/files/BA_Schmidt_Erdungskonzepte_fuer_Audioinstallationen.pdf

[2] Studiobaublog Soundhouse7
https://studiobau.wordpress.com/2011/09/18/die-erdung-eines-tonstudios/

[3]  Thomas M. Hay „Differential Technology in Recording Consoles and the Impact of Transformerless Circuitry on Grounding Technique“, AES Convention 67, 1980
http://www.ka-electronics.com/images/pdf/Thomas_Hay_MCI_AES.pdf

Schreibe einen Kommentar

Diese Seite verwendet Cookies. Um mehr darüber zu erfahren besuchen sie unsere Datenschutzerklärung.